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Antifaschismus Mittenwald

Mittenwald 2006

Vom Ulrichsberg über Kreta nach Mittenwald 2006
Das Treffen des Kameradenkreises der Gebirgstruppe endlich beenden!
Den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
27./28 Mai 2006
www.nadir.org/mittenwald
Nach den Protesten der letzten Jahre findet das Treffen des Kameradenkreises der Gebirgstruppe dieses Jahr nicht am Pfingstsonntag, sondern bereits eine Woche vorher am 28. Mai statt.
In den vergangenen drei Jahren wurde verstärkt nach Mittenwald mobilisiert: Gegen den Skandal eines Tätergedenkens, an dem sich nicht nur die noch lebenden Täter, sondern auch die Bundeswehr beteiligt; gegen den Skandal, dass unbeirrt an der Mär von Ehre und Tugend der deutschen Gebirgstruppe gestrickt wird. Gegen den Skandal, dass antifaschistische AktivistInnen Jahr für Jahr mit Strafverfahren überzogen und polizeilicher Repression ausgesetzt werden, während es die bundesdeutsche Justiz bislang noch nicht fertiggebracht hat, auch nur einen einzigen Wehrmachtsoffizier wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen zu verurteilen. Dem generationenübergreifenden soldatischen Geist setzen wir Veranstaltungen mit Überlebenden der Massaker der Gebirgstruppe und PartisanInnen entgegen, die dadurch am Ort der Täter eine Stimme erhalten. Das Traditionstreffen ist dadurch vom alljährlichen normalen Vorgang zum brisantesten Thema der lokalpolitischen Debatten geworden. Das öffentliche Aufsehen, das unsere Proteste gegen die Militaristenfeier hervorgerufen haben, die unverblümt faschistischen Äußerungen mancher Mittenwalder BürgerInnen vor laufender Kamera und die inzwischen eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Kriegsverbrecher haben bereits zu Absagen empörter TouristInnen geführt, die an unter solchen Leuten keinen Urlaub mehr machen mögen. Nach mehreren Sitzungen der Gemeinde mit dem Vorstand des Kameradenkreises wurde letztendlich die Verschiebung der sog. Brendtenfeier beschlossen. Der Mittenwalder Tourismusdirektor Ronge kommentierte dies mit den Worten: „Der ganz große Wurf ist das noch nicht“.
Das finden wir auch! Es muss endlich Schluss sein mit dem Traditionstreffen in Mittenwald! Es muss Schluss sein mit Feierlichkeiten, bei denen Täter zu Opfern umgelogen werden! Wir werden diesen Forderungen auch 2006 mit Demonstrationen und Kundgebungen Nachdruck verleihen und wir werden gemeinsam mit ehemaligen PartisanInnen an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnern.
Die Traditionspflege der Gebirgstruppe
Dieses Jahr treffen sich in Mittenwald zum 49. ten Mal Wehrmachtsveteranen, ehemalige und aktive Bundeswehrsoldaten sowie deren SympathisantInnen zum Gedenken. Bei der Traditionspflege der Gebirgstruppen werden die Kriegsverbrechen im Rahmen des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges unter den Tisch gekehrt. Unter dem Deckmantel der sogenannten „Bandenbekämpfung“, d.h. der Bekämpfung des Widerstands der Zivilbevölkerung und der PartisanInnen, verübten Einheiten der Gebirgsjäger über 50 Massaker in Griechenland, Italien, Frankreich, Finnland, Jugoslawien, Polen, Albanien und in der Sowjetunion. Im nordgriechischen Dorf Kommeno ermordeten sie 317 ZivilistInnen und auf Kephallonia, einer Insel bei Korfu, metzelten sie über 5000 entwaffnete italienische Soldaten nieder.
Seit einigen Jahren konfrontieren AntifaschistInnen die Öffentlichkeit mit der mörderischen Tradition der Gebirgstruppe. Die Reaktionen reichen vom Leugnen der Fakten bis hin zum Versuch, Massaker dadurch zu legitimieren, dass man sich ja nur gegen PartisanInnen geschützt habe. Diejenigen, die am Ort der Täter das Gedenken an die Ermordeten einfordern, werden angegriffen – so geschehen 2002, als einige AntifaschistInnen bei einem Festmahl des Kameradenkreises eine Gedenkminute für die bei Massakern Getöteten abhalten wollten. Immer wieder zeigt sich, was der Kameradenkreis ist: eine Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher. Doch 2005 musste schließlich auf öffentlichen Druck die Kameradschaft des Polizei-Gebirgsjägerregiments 18 aus dem Kameradenkreis ausgeschlossen werden, nachdem die Beteiligung dieses Regiments an der Deportation der Athener Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager nicht länger geleugnet werden konnte. Und rechtzeitig vor dem Treffen 2006 trennte sich der Kameradenkreis von der „Kameradschaft der Heeresbergführer der ehemaligen Wehrmachtsgebirgstruppe“, da Mitglieder an Massakern in Griechenland beteiligt waren.
Der Kameradenkreis übernimmt damit gezwungenermaßen eine Modernisierung des Gedenkens, die die Bundeswehr seit Jahren betreibt. Dort heißt es seit 1997 im sog. Traditionserlass, dass die Wehrmacht als Institution keine Tradition begründen dürfe. . Eine Armee, die in alle Welt geschickt wird, soll nicht als Wehrmachtsnachfolgerin gesehen werden. Historische Fakten werden jetzt nicht mehr geleugnet, sondern verbogen und instrumentalisiert. Die militärische Niederlage des Nationalsozialismus wird zum Sieg der Demokratie über den Extremismus umgedeutet. Das Deutschland, das heute auf der weltpolitischen Bühne auftritt, gibt sich geläutert und stellt sich auf die Siegerseite. Doch diese „Armee im Einsatz“ kann nicht ohne Traditionen wirken. Denn die Bundeswehr braucht SoldatInnen, die tapfer, kameradschaftlich und hart gegen sich selbst große Leistungen vollbringen. Dieser soldatische Mist wird mit der Traditionspflege weitergegeben, die Vorbilder stammen aus der Tätergeneration. Denn auch, wenn die Wehrmacht als ganzes keine Tradition begründen darf, sind einzelne Teile sehr wohl traditionsstiftend für die Bundeswehr – unter ihnen die Gebirgsjäger.
Widerstand auf Kreta
Vor 65 Jahren erfolgte der erste Großeinsatz deutscher Gebirgsjäger in Griechenland. Unterstützt von Fallschirmjägern begann die 5. Gebirgsjägerdivision am 20. Mai 1941 mit der Invasion Kretas. Im Zweiten Weltkrieg waren in Griechenland zu verschiedenen Zeiten u.a. zwei Gebirgsjägerdivisionen eingesetzt, wobei die 5. Gebirgsjägerdivision mit ca. 14.000 Soldaten die militärische Hauptkraft zur Besetzung Kretas war. Bei der Invasion stießen die Deutschen auf unerwarteten, sehr starken Widerstand der BewohnerInnen Kretas. Die deutschen Verluste bei der Besetzung Kretas waren um circa 20 Prozent höher als bei den vorausgegangenen Feldzügen gegen Jugoslawien und das griechische Festland zusammen. Besonders überraschte die Wehrmacht der sowohl bewaffnete wie auch unbewaffnete Widerstand der Zivilbevölkerung Kretas. Die deutschen Einheiten reagierten mit unglaublicher Brutalität und begingen noch während der Kämpfe um Kreta Massenerschießungen und Zerstörungen von Dörfern. Generalmajor Ringel, Kommandeur der 5. Gebirgsjägerdivision befahl: „… für jeden deutschen Verwundeten oder Gefallenen sind 10 Kreter zu erschießen, Gehöfte und Dörfer, in denen deutsche Truppen beschossen werden, sind niederzubrennen, in allen Orten sind Geiseln sicherzustellen“. In Befolgung des Befehls wurden innerhalb weniger Wochen über 2.000 BewohnerInnen Kretas brutal ermordet.
Auf Kreta findet jährlich am 20. Mai eine revisionistische Gedenkveranstaltung auf dem „Deutschen Soldatenfriedhof“ in Maleme statt. Jahrelang wurde ungestört das faschistische Lied der Fallschirmjäger „Rot scheint die Sonne“ gesungen und Kränze mit Texten wie „Treue für Treue“ abgelegt. Doch im Mai 2005 besetzten AntifaschistInnen aus Griechenland und Deutschland den Friedhof, vertrieben die TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung und erinnerten an die zerstörten Ortschaften und an die bei den Massakern Getöteten.
Widerstand in Koroska (Kärnten)
Der Widerstand der Partisaninnen und Partisanen in Koroska ist eng mit der slowenischen Bevölkerung Kärntens verbunden. Diese sollte die nach dem Anschluss Österreichs, der von den deutsch-nationalen KärntnerInnen gefeiert wurde, nach volkstumspolitischen Plänen der Nazis komplett deportiert werden. Nach der gewaltsamen „Aussiedlung“ von über 1.000 Kärnter SlowenInnen im April 1942 breitete sich der Widerstand der Befreiungsfront in Slowenien mit großer Unterstützung durch die Kärntner SlowenInnen aus. Den PartisanInnen gelang es durch Sabotage, antifaschistische Agitationen und Angriffe auf die Nachschublinien, große Truppenteile der Wehrmacht zu binden. Auch wurden Gefangene aus dem KZ am Loibl-Pass befreit und versteckt. Bis kurz vor Kriegsende dauerte der Terror von SS und Wehrmacht gegen die Bevölkerung an: Höfe von HelferInnen der PartisanInnen wurden niedergebrannt, Hunderte Menschen verschleppt, eingesperrt und hingerichtet. Noch am 25. April 1945 töteten SS-Männer elf Mitglieder der Familie Persman auf ihrem Hof in der Nähe von Eisenkappel/Zelezna Kapla. Doch der Widerstand konnte nie gebrochen werden. Am 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung, zogen die PartisanInnen zusammen mit britischen Einheiten in Klagenfurt/Celovec ein.
NS-Kontinuitäten und die „Ulrichsberggemeinschaft“ in Kärnten
Für die Kärntner PartisanInnen bedeutete das Kriegsende nicht das Ende der Verfolgung. Viele Nazis, die direkt am NS-Vernichtungsfeldzug beteiligt waren, haben sich in Kärnten nach 1945 heimelig eingerichtet. Schergen wie Ernst Lerch oder Helmut Pohl, die beim Reichssicherheitshauptamt in Lublin maßgeblich an der Ermordung von 1,2 Millionen Jüdinnen und Juden innerhalb der „Aktion Reinhard“ beteiligt waren, führten bis zu ihrem seligen Ende ein angesehenes Leben im österreichischen Süden. Der ehemalige Polizeichef des faschistischen Ustascha-Regimes, Milivoj Asner, der mehrere 100 JüdInnen deportieren ließ, lebt nach wie vor in Klagenfurt.
Seit 1958 treffen sich jedes Jahr im September Veteranen von Wehrmacht und Waffen-SS, der Gebirgsjäger und anderer Einheiten sowie deren Angehörigen und ideologischen „Nachfahren“ (deutsche und österreichische Bundeswehrsoldaten, Neonazis aus dem Spektrum der freien Kameradschaften, Burschenschaftler, Politiker der FPÖ u.a.), um an der „Europa-Heimkehrer-Gedenkstätte“ am Ulrichsberg in Kärnten ihrer gefallenen Kameraden zu gedenken. Es handelt sich dabei um das vermutlich größte Treffen ehemaliger Nazis aus ganz Europa im deutschsprachigen Raum. Unterstützt vom österreichischen Bundesheer, gehuldigt von fast allen politischen Parteien in Kärnten und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wird der gefallenen Kameraden und deren „anständiger Pflichterfüllung“, dem Mythos vom Kampf und Opfertod für die „Freiheit des Vaterlandes in beiden Weltkriegen“ gedacht. Eine wichtige Funktion der „Ulrichsberggemeinschaft“ war von Beginn an, sich für die Freilassung und Rehabilitation von Nazi-Kriegsverbrechern einzusetzen. Es gab immer wieder vielfältige Proteste gegen das Treffen der „Ulrichsberggemeinschaft“ in Österreich, die vom Bemalen bzw. Zerstören einiger Gedenktafeln bis zu Demonstrationen und Veranstaltungen reichten.
Programm:
27. Mai
10:00 ZeitzeugInnenveranstaltung
15:00 Sternmarsch und Demonstration durch Mittenwald
Abschlusskundgebung u.a. mit Microphone Mafia (Hiphop aus Köln)
28.Mai
ab 9:00 Gegenaktivitäten gegen das Gebirgsjägertreffen am Hohen Brendten
Spendenkonto Stichwort Mittenwald
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BLZ 360 100 43
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Es fährt ein Bus aus Wuppertal!!
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