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Wuppertal

Interview aus der Zeitung gegen die PRO NRW-Demo

Im Rahmen der Diskussion um den Bau einer neuen Moschee auf der Gathe wird, wegen seiner Lage auf dem vermeintlichen Baugrundstück, auch immer wieder das Autonome Zentrum und sein weiterer Verbleib Teil der Diskussion. Aber auch sonst macht das Haus regelmäßig von sich reden.
Was aber ist das Autonome Zentrum und wer steckt hinter seiner Arbeit? Fragen auf die viele Menschen keine richtige Antwort wissen, zumal von den Medien meist nur blutrünstige Klischees wiedergekäut werden. Wir haben uns auf den Weg zum Montagsplenum gemacht, dem zentralen Ort an dem die Leute, die im AZ engagiert sind zusammen kommen, um mit Vertreter*innen verschiedener Gruppen über ihr Haus und was es für sie bedeutet zu sprechen.
Hallo zusammen. Danke, dass wir kommen durften.

Piet: Klar, dürft ihr kommen. Unsere Treffen sind offen – jede*r kann kommen und mitorganisieren.
Alles klar, könnt ihr erstmal versuchen zusammenzufassen, was ein Autonomes Zentrum überhaupt ist?
Andi: Das Autonome Zentrum ist ein selbstverwaltetes Zentrum. Das meint zunächst mal einen Raum in dem Menschen sich nach ihren Interessen organisieren können. So entstehen dann verschiedene Gruppen, die mal für kurze Zeit, mal über Jahre hinweg, nach ihren Vorstellungen zusammen arbeiten. Was in diesen Gruppen passiert, liegt dann ganz dabei, wodrauf die Leute Lust haben.
Zora: Daraus setzt sich dann das „AZ“ als Ganzes zusammen. Manche Gruppen arbeiten politisch und aktionistisch, wie die „Karawane für Flüchtlinge und Migrant*innen“, andere bieten Vorträge und Informationen an, wieder andere organisieren die Kneipenabende, halten das Haus in Schuss oder machen einfach gemeinsam Sport.
Andi: In diesem großen, bunten, wechselnen Haufen ist der Wunsch nach Hierarchiefreiheit der gemeinsame Nenner. Daraus ergibt natürlich, das hier Ausgrenzungsmechanismen der Gesellschaft, wie Rassismus, Sexismus, Nationalismus, und so weiter keinen Platz haben sollen. Manchmal prallen hier aber auch verschiedene Meinungen ganz schön aufeinander und es kann mal ordentlich rumpeln, aber wir versuchen immer Konflikte gemeinsam und solidarisch zu lösen.

Ok, machen wir es mal konkreter: In was für Gruppen seid ihr aktiv, und was macht ihr da?
Vera: Ich bin in der Vokü beziehungsweise Küfa…
Moment langsam… VoKü? Küfa? Was soll das heißen?
Vera: VoKü ist kurz für Volxküche, ein Begriff der abgeleitet wurde vom Wort Volksküche, der früheren Bezeichnung für die Essensausgabe an Arme, welche das Pendant zur kirchlichen Armenspeisung darstellte. Küfa, Küche für alle distanziert sich noch ein Stück weit mehr vom Begriff des „Volkes“ als es die Schreibweise mit „x“ versucht. Ausgangspunkt ist, dass wir eine antinationalistische Position beziehen wollen, da sowohl „Volk“ als auch „Nation“ auf sozialen Konstruktionen von Ungleichheit und Ausgrenzung beruhen um Herrschaft und Machtpositionen zu legitimieren.
Soso. Und was genau macht diese Gruppe jetzt, außer sich um Begriffe zu zanken?
Karsten: Eigentlich geht es darum, mindestens einmal die Woche ein leckeres Essen gemeinsam zu kochen, welches dann für alle Menschen zugänglich ist. Auch heute ist es für viele Leute immer noch nicht möglich, von dem wenigen Geld was sie bekommen eine ausreichende und gesunde Ernährung zu ermöglichen. Zudem ist eine gemeinsame Mahlzeit auch immer ein guter Platz, um neue Ideen zu spinnen oder sich auszutauschen.
Deswegen haben wir uns zusammengeschlossen, um jeden Mittwoch ab 17:00 Uhr eine wohlschmeckende Mahlzeit zuzubereiten, die dann ab 19:00 Uhr in der Kneipe gemeinsam verspeist wird. Natürlich gegen Spende und alles vegan (veganes Essen ist auch immer Halal und Koscher)!
Vegan? Was soll denn das schon wieder sein? Also keine Schnitzel oder wie?
Vera: Keine Schnitzel, keine Wurst, kein Käse und auch keine Milch. Eigentlich gar nichts an tierischen Produkten, und das ganz bewusst. Wir finden nämlich, dass Massentierhaltung, Überproduktion und Ausbeutung von Millionen von Lebewesen zu Gunsten von Dumpingpreisen und oftmals sogar einem Ende als Würstchen in der Mülltonne keineswegs zu unterstützen ist, zumal ohne diesen übermäßigen Verbrauch von Nahrung und Ressourcen für Produktion von Billigfleisch tausende von Menschen genug Essen und Wasser zum Überleben hätten. Und das ist nur ein geringer Bruchteil der Gründe für diese Ernährung.
Also, kommt vorbei wenn ihr Hunger habt oder sogar Lust mitzukochen, wir freuen uns auf euch!
Piet: Außerdem sorgt die Küfa bei unseren Aktionen oft für das leibliche Wohl, wie den berühmten Erpelschlot nach unserer jährlichen 1.Mai-Demo am Schusterplatz.
Karsten: Genau! Ohne Mampf kein Kampf!
Wo du das ansprichst, worum geht’s beim autonomen 1.Mai? Chaos und Krawalle?
Emre: Ja, klar, nur! Quatsch! Wir gehen nächstes Jahr zum 27. Mal am 1.Mai parallel zu den Demos der Gewerkschaften am Tag der Arbeit auf die Straße. Aber eben nicht für ein Reförmchen hier und ein bisschen Lohnerhöhung da, sondern eben für ein ganz anderes Ganzes. Im Laufe der Jahre hatten wir etliche Themenschwerpunkte – immer was grade aktuell war: die Hartz-Gesetze, die unmenschliche Abschottung der EU-Außengrenzen, unsere Solidarität mit den freiheitlichen Kräften im Arabischen Frühling und, und, und. Und auch wenn es den uniformierten Staatsbütteln nicht passt werden wir, nach wie vor, die schlimmen Verhältnisse, regional und weltweit, anprangern und für radikale Veränderung und Verbesserung eingetreten. Mit Krawalle hat das erst mal nix zu tun.
Zurück zu den Gruppen. Könnt ihr noch mehr Gruppen vorstellen?
HeadsConnected: Wir, als DJ-/VJ-Kollektiv aus Wuppertal und Veranstalter*innen von u.a. den Blockschock!-Partys im AZ, treten für ein Konzept des gemeinsamen Feierns fernab der üblichen kommerziellen Club-Kultur ein. Wir finden es besonders wichtig, einen entsprechenden Raum zum Feiern zur Verfügung zu stellen, der für jede/n erschwinglich ist.
Ebenso liegt unser Augenmerk darauf, eine Kultur des gegenseitigen Respekts und Rücksichtnahme auf diesen Veranstaltungen zu pflegen.
Wie Andi schon gesagt hat, sind Sexist*innen, Homophobe, Rassist*innen und aggressive Personen daher unerwünscht. Wir bemühen uns ständig um Verbesserungen in diesem Sinne, um für alle Besucher*innen eine friedliche und familiäre Umgebung sicher zu stellen.
Die dafür erforderliche politische Arbeit, nicht zuletzt zur Bewahrung eines Stücks Subkultur ohne kommerziellen Hintergrund, ist im AZ möglich und wird konsequent voran getrieben.
Apropos Subkultur, ihr macht Elektroparties, was ist mit Punkrock? Grade diese Subkultur ist ja mit selbstverwalteten Häusern sehr verbunden.

Socke: Ja klar gibt’s ordentlich Punk. Als DIY-Konzertgruppe („do it yourself“) veranstalten wir hauptsächlich Konzerte mit Bands auf die wir Bock haben und die aus unserer Subkultur kommen! Das ist total wichtig Subkultur abseits des Mainstreamkack anzubieten und zu fördern. Die Bands kommen meistens aus dem Bereich Punk, Hardcore, Crust und Metal.
Alle unsere Veranstaltungen sind wie der ganze Rest des AZ selbstorganisiert und unkommerziell. Das heißt: Jede*r die*der arbeitet, sei es was zu organisieren, hinter der Theke steht, die Technik schmeißt, kocht, das Haus instand hält, oder nach den Veranstaltungen putzt tut dies aus eigener Motivation (ohne Bezahlung).
Deswegen haben wir auch keinen Bock mit Bookern und Bands zusammen zu arbeiten, die eine kommerzielle Motivation haben.
Als Gegner*innen von jeder unterdrückenden Mackerscheiße haben wir uns bewusst das AZ als Veranstaltungsort mit einem linken und emanzipatorischen Anspruch ausgesucht.
Also: DIY or die……..
Tessa: Es ist aber nicht so, dass hier nur Punkgescherbels auf der Bühne steht. In den letzten 20 Jahren, haben ziemlich viele junge lokale Bands, verschiedenster Musikrichtungen bei uns gespielt. Etliche Kapellen, die es heute noch gibt haben im AZ ihre ersten Erfahrungen auf einer Bühne mit professionellem Equipment gemacht.
Seit 20 Jahren? Wie lang gibt’s das AZ überhaupt schon?
Piet: Am jetzigen Standort auf der Markomannenstrasse sind wir seit 2000. Das alte AZ stand an der Wiesenstrasse, aber die Geschichte des Hauses ist viel länger. Das erste Vorläufer des AZ stand 1973 in Oberbarmen. Wenn ihr da genaueres zu wissen wollt, könnt ihr im Infoladenarchiv gucken, da gibt’s alles.
Infoladen?
Adriano: Das Prinzip des Infoladens wurde bereits in den 80er Jahren entwickelt aus dem Wunsch und Bedürfnis heraus, eine freie, unabhängige und nicht wie bei der bürgerlichen Presse völlig verzerrte Informationsweitergabe zu ermöglichen, sowie ein Netzwerk zu schaffen, in welchem Informationen über Aktionen, Besetzungen etc. in anderen Städten schnell und unverfälscht weitergegeben werden konnten .
So entwickelten sich die verschiedenen Infoläden auch zu Orten, an denen Treffen, Veranstaltungen, politische Diskussionen und Lesungen stattfanden und die einen Freiraum boten für Entwicklung von Zielen, Träumen und Utopien mithilfe der archivierten Erfahrungen und Berichte über zurückliegende Kämpfe und Aktionen.
Wie das AZ hat der Wuppertaler Infoladen Geschichte, 1986 existierte er bereits im damals besetzten Haus in der Hedwigstraße und wurde seitdem an verschiedenen Orten weitergeführt.
Und heute, was erwartet mich dort und wie komme ich überhaupt da rein?
Adriano: Der Infoladen befindet sich heutzutage im Autonomen Zentrums und ist zweimal die Woche geöffnet, alle Termine findet ihr auf der Homepage vom AZ.
Hier kann mensch sowohl Zeitungen und Bücher erwerben, als auch eine Vielzahl weiterer Informationsquellen, Reader, Texte, Aufkleber und viel mehr bekommen, sich zu diversen Themen autonomer Politik und sozialer Kämpfe informieren oder einfach nur zum Tee oder Limo trinken und gemütlichem Plausch vorbeikommen.
Ihr habt jetzt mehrmals Unterdrückungsmechanismen erwähnt, und das euch der Schutz davor sehr wichtig ist. Aber als offenes Haus lässt es sich doch nicht verhindern, dass Menschen mit z.B. sexistischen oder homophoben Vorstellungen hier reinkommen. Wie werdet ihr diesem Widerspruch gerecht?
Emre: Naja, der Spagat zwischen einer offenen Tür und dem Wunsch nach einem Schutzraum, ist tatsächlich schwer und immer ein konfliktträchtiges Spannungsfeld. Ganz wichtig ist, dass Unterdrückung Hierarchien immer wieder thematisiert und offengelegt werden. Manchmal bekommen Leute ja gar nicht mit, dass sie sich grad scheisse benehmen, oder haben einfach noch nie über ihr Verhalten nachgedacht – wozu auch, in einer Welt, wo immer der*die Stärkste gewinnt. Und es hat auch im AZ bereits schlimme, sexistische Übergriffe gegeben, da muss natürlich auch reagiert werden.
Könnt ihr eins der Konzepte vorstellen?
Judith: Wir haben zum Beispiel eine Rückzugsraumgruppe gegründet. Der Wunsch und das Bedürfnis nach einem Ort, welcher versucht, emanzipatorische und antisexistische Forderungen und Bedürfnisse umzusetzen sind ja nicht neu. Ein solcher Schutzraum und Freiraum vor alltäglichen sexistischen, homophoben, transphoben oder anderen Angriffen auf das gute Leben ist dringend notwendig und unerlässlich, und das nicht erst seit heute.
Wir, als kleine Gruppe, möchten noch einmal einen Versuch wagen, an einem Rückzugsraum zu arbeiten und einen emanzipatorischen Freiraum/Schutzraum möglich zu machen. Da das ein längerer Prozess ist und eine Menge Arbeit und Auseinandersetzung nötig ist, können wir hier nicht versprechen, dass das AZ danach ein Schutzraum vor Sexismus ist; nur, dass wir versuchen möchten darauf hinzuarbeiten.
Mit uns, mit euch, am besten mit allen.
Piet: Klar ist dabei aber auch, dass ein AZ immer hinter seinen eigenen Ansprüchen zurückbleibt, sonst müssten wir uns ja wie im Elfenbeinturm einschließen. Aber wir wollen ja unsere Vorstellungen von einem freien und selbstbestimmten Leben auch nach draußen tragen.
Und wie macht ihr das, außer am eben schon erwähnten 1.Mai?
Piet: Wir haben in den letzten 2½ Jahren maßgeblich die Antifa-Arbeit in Wuppertal getragen und sind ebenfalls in großen (bürgerlichen) Antifa-Bündnissen aktiv. Wir haben beispielsweise die Großdemonstration in Wuppertal-Vohwinkel aus dem AZ heraus initiiert und mit geplant und die Gegenaktivitäten gegen den Naziaufmarsch im Januar 2011 massiv getragen. Wenn wir nicht gerade notgedrungen die Nazis bekämpfen, sind unsere politischen Schwerpunkte u.a. der Atomwiderstand, der Widerstand gegen das europäische Grenzregime und die rassistische Asylpolitik in Deutschland und natürlich ganz viel Stadtteil- und Erwerbslosenarbeit.
Beispielsweise haben einige von uns das Bündnis „BASTA – Gegen das Totsparen – für ein Recht auf Stadt“ mitgegründet und vieles mehr. Bei der „4. Woche-Aktion“ kochen wir mit und für die Nachbar*innen in dem Stadtteil, in dem wir selber wohnen und leben.
Wir demonstrieren gemeinsam mit anderen immer wieder gegen Hartz-4-Armut und beteiligen uns an Initiativen wie beispielsweise den Zahltagen vor den ARGE-Geschäftstellen.
Immer wieder organisieren wir Begegnungen mit Zeitzeug*innen, Widerstandskämpfer*innen und Überlebenden der Shoah.
Emre: Schlussendlich kann man ruhig sagen, dass das AZ unter Anderem Teil oder verbunden ist mit nahezu jeder sozialen Bewegung in Wuppertal und Umgebung.
Letzte Frage: Wie steht ihr zu dem Moscheeneubau? Ihr seid ja direkt betroffen.
Andi: Auch wenn viele von uns mit Religion nicht viel am Hut haben, können wir uns eine liberal orientierte Moschee direkt neben dem AZ vorstellen. Aber wir lassen uns natürlich nicht von der DITB-Moschee einfach überplanen und dann vertreiben. Wir sind ein Autonomes Zentrum, mensch kann mit uns reden, aber nicht über unsere Köpfe entscheiden.
Tessa: Noch besser wäre es, wenn die Architekt*innen der Moschee schon mal von der direkten Nachbarschaft des AZ mit der neuen Moschee ausgehen und sich mit den verschiedenen Möglichkeiten des Schallschutzes vertraut machen würden…
Piet: Klar ist natürlich auch, dass wir die geplante „Aufwertung“ des Viertels durch die Vertreibung des AZ nicht hinnehmen werden. Was wir wirklich brauchen ist eine spürbare Verbesserung unserer Lebensbedingungen in Wuppertal und anderswo, also z.B höhere Löhne, genug und bedingungsloses Grundeinkommen und ein gutes Gesundheitssystem für alle.
Emre: Worauf wir keinen Bock haben, sind autoritäre (Glaubens)gemeinschaften, die nach innen ihre Glaubensgenoss*innen drangsalieren und die Anders- bzw. die Nichtgläubigen ihren Lebensstil und /oder ihren Glauben aufdrängen wollen. Und natürlich haben wir – und das ist vollkommen unabhängig von der Moschee – keine Lust auf Leute, die gegen Jüd*innen, Alevit*innen und Kurd*innen, oder jetzt aktuell gegen Roma und andere Geflüchtete hetzen.